Ich hatte Ehre und Vergnügen, an diesem Wochenende beim #swwhh2015 als Mentor für den Bereich E-Commerce an Bord sein zu dürfen. In der Gründerwerft Hamburg sollten in 54 Stunden neue Unternehmen entstehen. Von Freitag Abend bis Sonntag Abend formierten sich zuerst die Teams, dann wurden die Geschäftsmodelle und Prototypen entwickelt. Am Ende präsentierten die Teams ihre Arbeit einer Jury.
Samstag Nachmittag erhielten die Teams die Möglichkeit, „Fachidioten“ (also uns Mentoren) mit Fragen zu löchern und ihre Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Insgesamt 15 Mentoren aus den vielfältigsten Bereichen standen den Teams zur Verfügung.
Dreizig Minuten hatte jedes Team Zeit, den vorher ausgewählten Coach zu befragen und sein Know-How anzuzapfen. Ich durfte mich den Fragen der Teams Skywell, Nuba Box, Spizeclub, Happy Afterlive und Zeitwert stellen und Einblick in ausgesprochen innovative Konzepte erhalten. Ohne im Konkreten einzelne Teams zu benennen, sind mir an diesem Nachmittag mehrere Themen aufgefallen, die den Entwicklungsprozess von Strategien beeinflussen:
1.) Kenne deinen Kunden
„Würdest Du das kaufen?“ war eine der meist gestellten Fragen an diesem Nachmittag. Direkt gefolgt von „Findest du xx,xx Euro zu teuer?“. Sagt mein Konsumverhalten und mein finanzielles Budget etwas über Einkommens- und Kaufverhalten von 80 Millionen anderer deutscher Bürger aus? Nein.
Der Weg sollte daher weg vom eigenen Gefühl, hin zu Fakten und Statistiken sein. Jemand der einen Bentley in der Garage zu stehen hat und Mitglied in einem Rotary Club ist, kann ein wirklich guter Kunde für ein Premiumprodukt mit Unikat-Charakter sein. Fragt man mich, als Synonym für diese Zielgruppe, ich würde das Projekt zum Scheitern bringen. Daher: Nicht von sich selber als Kunde ausgehen!
2.) Keep it simple
Wir leben in einer Welt, in der niemand Zeit hat. Und wenn auch noch die potentielle Zielgruppe unter erhöhtem Zeitdruck steht, sollte man sein Angebot so gestalten, dass jeder (siehe Punkt 1) binnen weniger Sekunden versteht, welche Vorteile es ihm bringt, den Dienst in Anspruch zu nehmen. Featurewüsten verwirren, machen die Projektentwicklung aufwändig, teuer und erweisen sich oft als Fallstricke. Wer in der Lage ist, in zwei Sätzen sein Projekt und die Vorteile zu benennen, kann sicher sein, dass dies auch seine Kunden verstehen und anderen potentiellen Kunden davon erzählen können – und damit „Word of Mouth“-fähig ist.
3.) Copycats vs USP
Da gab es am Nachmittag ein gelungenes Beispiel der German Angst: ein Team beschäftigt sich mit einem Produkt als echte Problemlösung. Aufgrund von Statistiken können sowohl Zielgruppe als auch das Potential sehr präzise benannt werden. Das individuelle Produktsortiment ist nach dem Prinzip „Search, Klick & Happy“ aufgebaut: Lösung suchen, Lösung kaufen, Bedarf gedeckt. Und dann höre ich, man empfiehlt diesem Team, große Teile der klar definierten Zielgruppe auszuschließen, weil es ja evtl. sein könne, dass einige Personen das Angebot lediglich als Anregung benutzen. Womit wir wieder bei Punkt 1 sind. Jemand der die Angebote als Anregung nutzt, gehört nicht zur Zielgruppe (und wurde in der Definition auch schon ausgeschlossen). Daher: Fokus auf Punkt 1.
4.) Think ouside the box
Wer Neues entwickeln möchte, der muss eingetretene Pfade verlassen. Ein Startup Weekend scheint der geeignete Ort zu sein, um wirklich Neues zu erschaffen. Ich kam mit einem Team zusammen, welches sich am späten Nachmittag nach einigen Gesprächen mit anderen Mentoren recht weit in Nähe des Bodens der Tatsachen befand. Die Kernidee an sich war bereits in einem funktionierenden Prototypen umgesetzt und sah ziemlich gut aus. Was im ersten Moment scheinbar fehlte, war ein USP. Das Tool hingegen enthält jedoch ein verstecktes Potential, mit dem es dem Team gelingen könnte, im Handumdrehen Reichweite und Exklusivität zu erzeugen. Das hat im ersten Schritt nichts mit E-Commerce, sondern mit Marketingstrategie zu tun.
Soll heißen: Bei einem Startup Wochenende muss gepusht werden, bis die Gehirnzellen kochen. Neue Unternehmen entstehen nur durch das Verlassen von Komfortzonen. Das sollte auch für Mentoren gelten. Wer klassisch konservativ Geschäftsmodelle in diesem Umfeld analysiert, bremst an der falschen Stelle.
And the winners are….
Pitch Award: SpizeClub
Best Design Award: Bring me to art
Audience Choice: Comate me
Overall Winner: Comate Me
Fazit: Das waren extrem anstrengende 2 Stunden Mentoring für mich aber eine ebenso extrem großartige Erfahrung, so viel Kreativität in engen Räumen zu erleben. Auch für mich hat sich die Teilnahme gelohnt, brachten mich die Teams mit ihren neuen Ideen des elektronischen Handels zum Verlassen bekannter Grenzen. Ich hoffe, dass einige Teilnehmer ihre Energie mitnehmen und „draußen“ in der echten Welt ihr eigenes Ding hochziehen. Digital-Deutschland braucht das!
Weitere Berichte zum Startup Weekend gibts bei…
…den Digital Media Women
…der Gründerwerft